Der Islam im Licht des Evangeliums III

Eberhard Troeger

Wahre und falsche Prophetie

Das Alte Testament spricht an einigen Stellen von wahren und falschen Propheten. (z.B. 1. Könige 22, Jeremia 23 und 28 und Hesekiel 13,1-16), die im theologischen Sprachgebrauch auch als Unheil- bzw. Heilspropheten bezeichnet werden.

Die falschen Propheten redeten den Menschen zu Gefallen.

Sie verkündigen Heil, weil die Hörer es wünschen. Dagegen nennen die wahren Propheten ohne Rücksicht auf Nachteile für ihre Person Sünden beim Namen und warnen vor bestimmten Handlungen.

1. Könige 22 berichtet vom Krieg des israelitischen Königs Ahab gegen die Aramäer. Ahab forderte den judäischen König Joschafat auf, mit ihm in den Kampf zu ziehen. Auf Anraten Joschafats bat Ahab 400 Propheten um Weisung, ob er den Kampf um Ramot wagen solle oder nicht. "Sie sprachen: Zieh hinauf! Der Herr wird's in die Hand des Königs geben." (V. 6). Der König Judas war mit dieser prompten Antwort nicht zufrieden. Er hegte den Verdacht, dass hier nicht Gott durch Prophetenmund sprach, sondern Menschen dem König zu Gefallen redeten. "Joschafat aber sprach: Ist hier kein Prophet des HERRN mehr, dass wir durch ihn den Herrn befragen?" (V 7). Ahab nannte Micha Ben Jimla und machte sofort deutlich, wie wenig er die Wahrheit aus Prophetenmund schätzte: "Ich bin ihm gram; denn er weissagt mir nichts Gutes, sondern nur Böses." (V 8). Als Micha dann doch geholt wurde, lautete seine Weissagung: "Ich sah ganz Israel zerstreut auf den Bergen wie Schafe, die keinen Hirten haben." (V. 17). Die Unheilsweissagung des Micha behielt recht. Ahab fiel im Kampf.

Nach Jeremia 28 weissagte der Heilsprophet Hananja: "So spricht der HERR Zebaoth ...: Ich habe das Joch des Königs von Babel zerbrochen, und ehe zwei Jahre um sind, will ich alle Geräte des Hauses des HERRN... wieder an diesen Ort bringen..." (V. 2 f.). Doch Jeremia musste Unheil weissagen: "So spricht der HERR Zebaoth...: Ein eisernes Joch habe ich allen diesen Völkern auf den Nacken gelegt, dass sie untertan sein sollen Nebukadnezar, dem König von Babel..." (V. 14). Zu Hananja sagte Jeremia: "Der HERR hat dich nicht gesandt; aber du machst, dass dies Volk sich auf Lügen verlässt." (V. 15).

In Hesekiel 13 werden die falschen Propheten ganz offen als Lügner bezeichnet: "Ihre Gesichte sind nichtig, und ihr Wahrsagen ist Lüge." (V. 6). "Darum spricht Gott der HERR:... meine Hand soll über die Propheten kommen...Sie sollen in der Gemeinschaft meines Volkes nicht bleiben..." (V. 8f.). "Weil sie mein Volk verführen und sagen: "Friede!", wo doch kein Friede ist..." (V. 10).

War Muhammad ein falscher Prophet im Sinne dieser Heilspropheten?

Muhammad trat in Mekka zunächst als Warner vor dem kommenden Gericht Gottes auf. So heißt es z.B. in Sure 88,21: "Warne nun (deine Landsleute)! Du bist (ja) nur ein Warner..." (vgl. dazu Sure 84,1-6). Er musste sich dafür von den Mekkanern, die gar nicht daran dachten umzukehren, viel Spott und Anfeindung gefallen lassen. Insofern passt das Bild vom trügerischen Heilspropheten nicht zum Beginn der religiösen Tätigkeit Muhammads.

Das hat sich jedoch im Laufe seines Lebens geändert. Die Warnung vor dem Gericht Gottes trat in seiner Verkündigung zugunsten der Regelung des Zusammenlebens seiner islamischen Gemeinschaft zurück. Dabei ist Muhammad viele Kompromisse eingegangen, durch die er die Anerkennung von Menschen erlangen wollte, z.B. bei der Änderung der Gebetsrichtung (vgl. Sure 2,142-144) und der damit verbundenen Einbeziehung der heidnischen Kaaba in den islamischen Kultus, bei der Rechtfertigung des bewaffneten Kampfes gegen seine Feinde (vgl. Sure 2,117) und bei der Rechtfertigung seines Ehelebens (vgl. Sure 33, 37.38.50).

Vor allem aber ist zu beachten, wie Muhammad sich die Rettung vor dem Gericht Gottes dachte. Der ganze Koran macht deutlich, dass der bußfertigen Hinwendung zu Gott und dem Einhalten eines Mindestmaßes an Geboten und Verboten die Barmherzigkeit Gottes zur Folge haben (vgl. Sure 5,39). Mehrmals redet der Koran davon, dass Gott es dem Menschen leicht machen will: "Gott will euch Erleichterung gewähren. Der Mensch ist (ja) von Natur schwach." (Sure 4, 28). Trotz mancher rigoroser Bestimmungen im Strafrecht, trotz der Pflichten des fünfmaligen Gebets und des Fastens versteht sich der Islam als eine Erleichterung gegenüber dem harten mosaischen Gesetz und offensichtlich auch gegenüber der Askese christlicher Mönche, also als einen leichten Weg zum Heil.

In diesem Sinne heißt es in Sure 7, 157 von Muhammad, dass er den Menschen "ihre drückende Verpflichtung und die Fesseln, die auf ihnen lagen, abnimmt." Deshalb wird Muhammad ein 'Verkünder froher Botschaft' genannt (z. B. Sure 5, 19). Der Grund liegt darin, dass Muhammad weder die Tiefe des menschlichen Sündenfalles („Der Sünde Sold ist der Tod“, Römer-Brief 6,23) noch die Tiefe der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes erkannte. Deshalb blieb für ihn die Erlösung im Kreuz des Gottessohnes Jesus Christus völlig unverständlich. Muhammad war der Verkünder einer Barmherzigkeit, die Gott nichts gekostet hat und dem Menschen die wahre Buße erspart. Er kam damit dem menschlichen Bedürfnis entgegen. Insofern lässt sich eine Verbindung zwischen Muhammad und den alttestamentlichen Heilspropheten aufzeigen.

Fortsetzung folgt!

Quelle: Vom Verfasser leicht überarbeiteter Ausschnitt aus: E. Troeger, Kreuz und Halbmond. Was Christen vom Islam wissen sollten, Wuppertal 1996, S. 114ff. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.